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Sonntag, 4. Dezember 2011

Ode wider den Krieg


Ode wider die Verherrlichung des Krieges

Ach, wie so stark scheint der Panzer, mein Sohn,
der Kampfjet, das Atom U-Boot.
Wie sie dahinrauschen, siegesgewiss,
tief unten im Meer,
hoch droben, kaum sichtbar,
am schuldlosen Horizont.

Ach, wie so schön ist der Soldat, mein Sohn,
so schön wie d u, wenn er munteren Sinns,
tapfer und mutig zugleich, hinstapft,
im Gleichschritt, marsch, marsch.

Und er singt auch ein Lied,
so  ein gewaltiges, in seinem Herzen,
vom gar nicht kleinlichen Stolz,
und von der Idee, dass er stärker ist,
stärker, als alle Feinde der Welt.

Ja, so reckt er sich hoch,
Gesicht geradeaus und nicht gemurrt,
wenn er da steht, in Reih und Glied.
Schulter an Schulter, Kraft an Kraft,
Held an Held, wie eine Mauer.
Glut an Glut, so viele, so starke,
Hass an Hass, Gewalt an Gewalt,
Grausamkeit an Grausamkeit...

Doch wenn’s dämmert, im Bett,
in der menschlichen Stunde,
im Faltengewirr seiner Decke,
dann, mein Sohn,
ist schon der Heldenmut fort,
zittern vielleicht ihm die Lider,
und das Klappern der Zähne
versucht er zu dämpfen,
und das Geschluchze,
im schweißigen, feuchtwarmen Stoff.

Ach, wie so laut ist der Krieg,
wenn die Panzer pflügen den Acker, das Land,
wie wenn alle Engel des Himmels gleichzeitig
über die Welt kämen,
mit dem Schlagen der Flügel,
getragen vom Sturmwind
und dazu, in der moosigen Kuhle am Hang,
Eingegraben, der Feind,
auf dem Monitor nur ein Punkt.

Ach, wie so faszinierend ist doch der Krieg,
wenn es woanders donnert und kracht,
und die Raketen sicher im Ziel zerplatzen,
die Bomben  reinhämmern in Bildrasterknoten,
und das irre Schreien im Brandherd,
ungehört, in ferner Wirklichkeit verhallt.
Raketensplitter wie ein Zyklon
die Häuser zerreißen,
dazu Mann und Frau,
Kind, Katz und Maus,
ungezählte, ungenannte.
Der Lebendige dort,
nichts als ein roter, bebender Fleck
im Nachtsichtgerät, fokussiert, entblößt:
klatsch!

Ach, wie so elend ist doch der Krieg,
wenn das Blut wie ein Orkan den Kopf füllt,
und der Mut versackt im Blut des ersten,
dens trifft, Helm ab, Kopf ab,
und des zweiten, den es erwischt,
Bein ab und Arm.
Und die Augen herausgeschossen, verspritzt
sein Gehirn über der Wand.
Ja, ich weiß, auch er hatte Mut,
und nun ist er hin.

Wäre ich Gott, eine Göttin, mein Kind,
nähme ich all diese schönen Soldatenknaben
auf meinen Schoß und wiegte sie
leise und sanft in den Schlaf.
Dann fügte ich sie wieder zusammen.
Bein an Körper, Arm an Schulter,
Auge in Kopf und Hand an Arm
und würde sie hinstellen und schelten,
so wie man unartige Kinder ausschilt,
und glaub mir, sie schämten sich,
und spielten es nimmer, das sinnlose Spiel,
vom grauslichen Krieg.

Doch, Söhnchen, schade, ich bin nicht Gott,
und auch eine Göttin, die allmächtig ist,
werde ich nimmermehr sein...

Keiner wird kommen, mein Kind,
und die zerrissenen Kerle aus ihren
Erdschollen kratzen.
Niemand wird mehr ihr Lachen sehen,
ihren Atem spüren,
und ihren zärtlichen Kuss.


1993 © GABRIELE BRUNSCH










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