alle gedichte, fotos, bilder und texte auf diesem blog sind von gabriele brunsch / LadyArt erstellt, andere autoren sind besonders genannt. nicht nur das gesetzliche,auch das aus moralischen gründen zu respektierende urheberrecht gilt hier – obgleich nur der zufall das vergehen aufdecken könnte,aber ist die welt nicht voller zufälle -
Es ist der 22. Dezember, heute ist die Nacht der Wintersonnenwende und noch dazu wird der Vollmond am Himmel stehen. Dass in so einer Nacht allerhand schief gehen kann, davon ahnt der Bäckerjunge Michael am späten Nachmittag jedoch noch gar nichts...
Er versucht, Gott und den Kräften der Natur zu trotzen. Er verflucht alle und alles – und scheitert grandios. Seitdem ist er dazu verdammt, für immer und ewig mit seinem Geisterschiff auf den Weltmeeren zu kreuzen. Und jedem, dem dieses Schiff mit schwarzem Mast und blutroten Segeln begegnet, ist Unglück vorbestimmt.
Gruselig: Der „Fliegende Holländer“ muss mit seinem Geisterschiff auf den Weltmeeren herumsegeln – es sei denn, er findet eine Frau, die ihn liebt und ihm treu ist. Foto: Gabriele Brunsch
Behutsam werden der Holländer, Erik und Senta in Szene gesetzt. Dies sind die letzten Minuten im Leben der jungen Frau. Erik versucht verzweifelt, sie von ihrem Wahn, dem Holländer zu folgen, abzuhalten. Foto: Simone Zelder
Unter dem Eindruck einer stürmischen Seereise schrieb Richard Wagner die Oper „Der Fliegende Holländer“. Gabriele Brunsch hat den Holländer für das Kitzinger Papiertheater neu gestaltet und inszeniert. Entstanden ist ein Singspiel in drei Akten, das durch seine Dramatik zwischen wahren Gefühlen und Wahnvorstellungen fasziniert.
„Eine irrwitzige Geschichte“
Die Sage vom Fliegenden Holländer war Anfang des 19. Jahrhunderts, der Zeit der Romantik, eine beliebte Lektüre. Nur alle sieben Jahre darf der Holländer an Land, um eine Frau zu finden, die ihn liebt und ihm treu ist. Dann erst kann er sterben. „Eine irrwitzige Geschichte!“, findet Gabriele Brunsch. „Das Drama, das sich hier entwickelt, kann man sich unschwer ausmalen: Was, wenn er ein Mädchen findet, das ihn wirklich liebt? Man ahnt, dass die Geschichte nur tragisch enden kann…“
Der „Fliegende Holländer“ ist heute nach Lohengrin weltweit die am meisten gespielte Oper von Richard Wagner. Die dramatische Ballade wurde im Jahre 1843 in Dresden uraufgeführt. Das Zusammenstoßen von mythischer Geisterwelt mit der Welt der Menschen fesselt auch heute noch. „Der 'Fliegende Holländer' ist Wagners kürzeste Oper“, weiß Gabriele Brunsch. „Was sich auf den großen Bühnen in gut zwei Stunden vollzieht, dauert im Papiertheater Kitzingen nur 50 Minuten und ist für Wagnereinsteiger und -Fans gleichermaßen geeignet.“
Als Gabriele Brunsch aus der Oper ein Singspiel machte, hielt sie sich weitgehend an die Anweisungen Wagners im Libretto. Die Bühnenbilder fügte sie aus Collagen eigener Entwürfe und Kopien antiker Vorlagen zusammen, die agierenden Figuren hat sie selbst entworfen. Die Musik Richard Wagners untermalt die Dramatik der Handlung auf der kleinen Miniatur-Kunst-Bühne eindrucksvoll. „Bei allem Ernst, der in dieser Geschichte verborgen ist, entbehrt sie nicht eines gewissen Humors“, sagt die Künstlerin und Regisseurin. In ihrer Inszenierung kann man diesen Humor spüren. Und genießen.
Die kleine Bühne des Papiertheaters entstammt ursprünglich dem frühen 19. Jahrhundert und schmückte als Vorgänger des heutigen Fernsehapparats vorwiegend die Wohnzimmer großbürgerlicher Familien. Von allen Opern und Dramen der großen Bühnen gab es mehrfache Ausfertigungen auf Papierbögen mit Textheft zu kaufen. Dann musste allerdings erst gearbeitet werden – ausgeschnitten, bemalt und Text geübt –, denn auf Knopfdruck, wie es uns möglich ist, lief damals gar nichts. Es gab ja nicht einmal Strom.
Das Tor zu einer anderen Welt
Das Kitzinger Papiertheater zieht seit mittlerweile zwölf Jahren zahlreiche Zuschauer in seinen Bann. Der verdunkelte Raum schafft eine einzigartige Atmosphäre. Die kleine, beleuchtete Bühne ist das Tor zu einer anderen Welt: zur Welt der Fantasie.
Gabriele Brunsch gelingt es auf unverwechselbare Weise, darstellende und bildende Kunst miteinander zu vereinen. Sie adaptiert und bearbeitet oder schreibt die Stücke eigenhändig, sie entwirft Figurinen und Bühnenbilder. Jede Inszenierung wird von einem aufwändig hergestellten Hörspiel untermalt, in dem sie meist selbst die Erzählung vorstellt beziehungsweise mit anderen Sprechern und Schauspielern die Rollen einliest.
Wenn sich der Vorhang hebt, dann taucht der Zuschauer in eine andere Welt ab. In seinem Kopf wird eine Geschichte lebendig. Ein eigener Film entsteht. Das ist faszinierend. Denn eigentlich ist das, was er vor sich sieht, nichts als Licht, Ton und Papier.
Termin: „Der Fliegende Holländer“ wird für Menschen ab acht Jahren am Samstag und Sonntag, 19. und 20. September, sowie 26. und 27. September, jeweils ab 17 Uhr auf der Miniaturbühne „Der Blaue Schleier“ in der Kitzinger Grabkirchgasse 4a aufgeführt. Um Reservierung wird gebeten, Tel. (0 93 32) 86 92.
Die „Schauspieler“ müssen üben: Gabriele Brunsch hat einige Akteure vor der Bühne aufgestellt.
Im Bühneninneren passt sie die Küstenformation mit stürmischem Meer ein.
ach, könnte all das dunkle aus meiner welt verschwinden, nur einfach so! sich aus der welt rauswinden, nur einfach so! dem hier und jetzt, dem elend, der alten litanei verderben widerstehen, hey, ich wär gleich dabei! im hier und jetzt besingen, die friedensmelodei nur einfach so, das wär ein fest der freude, wer wäre nicht dabei? das kleine lächeln lächelt am hals der judas klebt, der kuss im äther fächelt, wer hätte nicht gelebt? wir schwingen in den saiten, zu lieblich ist das lied, das sonderbar vernetzt, durch unsre sinne zieht. so sei es, mensch! wir kriegen, weil krieg des menschen los, wir streiten und wir siegen, sei still, was mach ich bloß. wir liefern nichts als worte, bescheiden an die welt, und hoffen, dass die quintessenz des menschen mensch gefällt. doch wer vermag das raunen, das mich bewegt erlauschen, wir, kleingeboren-winzig, wir spüren nur die macht, die wächst im bombenterror, glutrot, bei tag und nacht! ganz ohne glanz im elend bleibt ungezückt der degen zur unzeit, ungeglaubt, der säure regen regnet, was uns das leben raubt. ach, könnte all das dunkle aus meiner welt verschwinden, nur einfach so! sich aus der welt rauswinden, nur einfach so! dem hier und jetzt, dem elend, der alten litanei verderben widerstehen, hey, ich wär gleich dabei!
Genau in dem Augenblick, in welchem die Sonne über den Horizont
kroch, sagte der Tag zum Morgengrauen: „Ist ja schon gut!“, und machte
seine Augen ganz auf. Er lächelte, wie an jedem Morgen. Er würde wieder wunderschön werden. Wie immer.
Er schob eine Nebelbank aus dem Tal. Er würde ein wenig Kühle in die
heißen Städte hauchen. Er würde mit dem Wind auf den Wellen des Sees
spielen. Er würde Kriegsgetöse hören und einen Vulkanausbruch
beobachten. Er würde Licht in die Fenster zu Kindern und Greisen an den
Computern schicken. Er würde die Menschen sehen, wie sie arbeiteten, ein
jeder an seinem Platz und in den Einkaufspassagen würde er den Leuten
beim Eisessen zuschauen. So würde die Zeit vergehen. Im Sommer hatte er viel Zeit. Im Winter eher wenig.
Wenn die Leute sagten: „Das war ein guter Tag!“, durchströmte ihn ein
Glücksgefühl. Nicht, dass er für Klagen und Jammern taub war, nein. Aber
wenn er so etwas hörte, rief er: „Morgen! Morgen wird alles besser!“,
und vertraute ganz auf seine Erfahrung. Der Tag war ein energiegeladener junger Mann.
An seiner Seite hatte er zwei Wesen, die sich liebevoll um ihn
kümmerten. Die eine hieß Morgengrauen und die andere Dämmerung. Vom Kuss
des Morgengrauens wurde er allmorgendlich geweckt, die andere legte
sich, wenn er müde vom Tagwerk war, zu ihm hin und summte ihn leise in
den Schlaf. Wie der Tag heute die Menschen so vergnügt in den
sommerlichen Biergärten sitzen sieht, spürt er plötzlich ein sonderbares
Sehnen in seinem Herzen. Warum hatte er denn noch niemals mit
Morgengrauen und Dämmerung gemeinsam einige Stunden verbracht? Er
wird nachdenklich: Jahraus-jahrein gab er sich den Zärtlichkeiten der
beiden hin. Er hätte niemals sagen können, welche von beiden er mehr
liebte. Beide konnten scheu erröten, wenn er sie ansah. Beiden war
bisweilen die Stirn dunkel überschattet. Beiden war er zutiefst
verbunden. Als der Tag an diesem Abend der Dämmerung erzählt was ihn
so unzufrieden macht, da runzelt diese die Stirn: „Was du dir nicht
ausdenkst! Du bist und bleibst ein übermütiger Tunichtgut!“ Gleich
kuschelt sie sich eng an ihn und wärmt ihn mit ihrem Körper. Sie lieben
sich. Während sie danach vorsichtig das blau-schwarze Seidentuch über
seine Augen zieht, summt sie noch ein bisschen. Sie weiß, dass er müde
ist. Er wird gleich fest schlafen. Sobald sie seinen ruhigen Atem
hört, lächelt sie und dreht sich langsam herum. Da liegt die junge,
schöne Nacht und ruht im gleichen Bett. Die Dämmerung schmiegt ihren
Körper an den der Nacht. „Wach auf, Geliebte!“ , flüstert sie und küsst sie sanft. Dann vereinigt sich die Dämmerung mit der Nacht.
Schon öffnet die Nacht ihre Augen und der Abendstern und der Mond
beginnen sich in ihnen zu spiegeln. Sie schüttelt ihre
kohlrabenschwarzen Haare und ihr schwarzes Nachtgewand, so gießt sie
schwärzeste Dunkelheit in alle Winkel und Ecken der Welt. Gleich
blinken überall wo Menschen wohnen Lichter auf, unendliche Perlenstränge
an leuchtenden Spuren durchfluten die Länder und die Städte werden zu
glühenden Flecken. Die Nacht ist zufrieden, was auch immer sie
sieht, was auch immer geschieht, sie weiß, beim nächsten Mal wird es
wieder ganz anders sein. Gutes folgte auf Schlechtes. Warmes auf Kaltes.
Das ist der Kreislauf der Dinge. Und obwohl sie eine junge Frau ist, so
ist sie doch klug und weise und genießt ihre Schönheit im Spiegel der
Meere. Sonderbar ist es schon, dass sie am gleichen Biergarten
innehält wie zuvor der Tag und auch sie spürt so ein sehnsuchtsvolles
Ziehen in ihrem Herzen. Da sitzen die Menschen heiter zusammen und
erzählen sich Geschichten. Wie gerne wäre sie mit Morgengrauen und
Dämmerung einmal zusammen gewesen, hätte gemeinsam mit ihnen über ihre
Abenteuer gesprochen. Sie beschließt, mit Morgengrauen zu sprechen.
Als die Nacht, müde geworden, langsam in ihr Bett zurück steigt, liegt
da schon das Morgengrauen mit weit geöffneten Armen. „Komm“, sagt das
Morgengrauen, „Schmiege dich an mich!“. Da vergisst die Nacht von ihrem
Wunsch zu erzählen und lässt sich in den Schlaf wiegen. Als die
Nacht ruhig atmet, dreht sich das Morgengrauen im Bett herum. Sie wartet
ein kleines Weilchen und beugt sich über den jungen, prachtvollen Tag.
So unschuldig liegt er da. Sie schmiegt ihren Leib an seinen und ihre
Körper verschmelzen miteinander. Dann küsst sie ihn wach. „Ist ja schon gut!“, ruft er schließlich ungeduldig und löst sich aus der Umarmung.
„Sag mal! Könnten wir nicht mal zusammen einige Zeit verbringen, du,
die Dämmerung und ich. Wir hätten uns so viel zu erzählen!“ „Was du redest!“, ruft lachend das Morgengrauen, „Dämmerung? Wer bitte ist die Dämmerung?“
Was sollte er darauf antworten? Doch da kam die Sonne schon endgültig
über den Berg gekrochen. Der Tag vergaß das Morgengrauen und machte sich
auf die Nebel von den Hängen zu verscheuchen und Licht in alle dunklen
Winkel hinein zu schicken. Er würde heute wieder prachtvoll sein.
Vollkommen! Wenn da nicht dieser kleine sehnsuchtsvolle Schmerz in
seinem Herzen gewesen wäre. Da wendet er sich der Sonne zu. Diese
schüttelt auf seine Frage hin verwundert den Kopf. „Ach, du dummer Tag!
Morgengrauen, Dämmerung! Du weißt ja gar nichts! Du hast eine junge,
schöne Gegenspielerin! Es ist die Nacht. Wenn du schläfst, herrscht sie
über die Welt und wenn Du dein Tagwerk verrichtest, dann ruht sie!“ „Aber sag, liebe Sonne, kann ich sie nicht kennen lernen?“
Die Sonne sieht ihn sonderbar an. „Was du dir da wünschst, lieber Tag,
das ist schon geplant! Aber es dauert noch lang bis dahin! Du musst
Geduld haben.“ Der Tag blickt der Sonne erwartungsvoll ins Gesicht.
„Am allerletzten deiner Tage, Tag, wird die Erde in mir verglühen. Dann
wirst du gemeinsam mit Morgengrauen und Dämmerung und deiner
wunderschönen Widersacherin Nacht verschmelzen. Das verspreche ich dir!“
Während sie das sagt, macht die Sonne eine Fratze und grinst ihn böse
an. „Pffff! Sehr mysteriös, das ganze!“, flüstert der Tag und
überlegt sich, ob die Sonne sich vielleicht über ihn lustig gemacht hat.
Er ist verunsichert. Dann erinnert er sich an seine Geliebte, die
Dämmerung, sie müsste doch etwas von der Nacht wissen. Er wird sie am
Abend fragen. Geschäftig legt er sein Licht auf Stadt und Land und
vollbringt sein Tagwerk. Er ist zufrieden. Als er müde und erschöpft
an diesem Abend an die Seite der Dämmerung sinkt, spürt er ihre innige
Umarmung wie ein heilendes Bad. „Dämmerung, ach, Dämmerung! Wie gut du
mir tust!“, murmelt er und genießt ihre weiche Gegenwart. Matt von der
Liebe sinkt er zurück. Während seine Lider immer schwerer werden,
flüstert er seiner Dämmerung ins Ohr: „Sag mal, kennst du die Nacht?“
Doch da hat sie schon das blau-schwarze Tuch über ihn gebreitet und
lauscht seinem ruhiger werdenden Atem. Dann wartet sie ein kleines
Weilchen, bevor sie sich umwendet und ihren liebeswarmen Körper eng an
die noch schlummernde Nacht schmiegt: „Wach, auf, Geliebte, es ist
Zeit!“
PAUSE Nein, wir verlieren nicht die Notwendigkeit etwas zu sagen! Wir machen nur eine Pause! Wir verspüren gerade keine Lust uns in die Menge zu werfen. Ach, wie schön ist der Rückzug in die Bibliothek, dorthin, wo die Schätze stehen, die lang vernachlässigten, diejenigen, von denen wir Morgentau und Sphärenmusik schöpfen konnten, die uns Hilfe und Nahrung, Licht und Schatten gleichzeitig waren, die niemals still waren, die uns lockten und verführten, die uns dorthin entführten, wo die Fantasie spazierte, lang, lang bevor uns die Welt regierte, regierte, regierte, regierte, malträtierte, zerschmetterte, zerschlug, uns unsre zarten Bänder aus den Banden schnitt, hier wo ich litt... ich litt... Wir sind der Wachmann unserer eignen kläglich hergezerrten Zeit. Lass andre rasseln, lass sie lärmen. Nichts geht ein Stückchen, ach, nichts geht ein Stückchen weit. Sind sie nicht gnädig diese endlos schönen Stunden, in denen wir ein Wort, ein kleines Wort gefunden, das unsre kleine Welt beschreibt. So wen’ge Worte wiegen, haben Wert. Die Pause hat der Himmel uns geschickt, die Wörter stehen grade, unversehrt, wohin auch immer unser Auge blickt, sie stehen da, die Wörter, unverrückt. Und wenn die Zeit sich an der Zeiten Wende machte, (verzeih mir Freund, ich weiß, der Reim er klemmt), doch leider, als das Knirschen heftig krachte, hätt ich am Tiefpunkt einfach nur gelacht, ich hielte inne, wär nichts als verzückt, dein Lächeln träfe, träfe nur mein blasses Wesen, wie schön, uns ist ein Coup geglückt! Verbunden ist sie, ist die schöne Zeit, (auch wenn's jetzt kitschig wird, sollt Ihr es lesen) im Hier und Jetzt und mit der Ewigkeit.
Die Fenster sind mit schwarzen Vorhängen verdunkelt. Die Umrisse
von 18 Stühlen sind mehr zu ahnen als zu sehen. Wer auf einem der
Samtbezüge Platz nimmt, schaut direkt in ein raffiniert beleuchtetes
Rechteck, kaum größer als ein DIN-A3-Blatt. Es ist kein Fernsehgerät –
es ist eine echte Bühne. Miniklein, aber oho. Sie ist das Tor zu einer
ganz anderen Welt. Einer Welt aus Papier und Klang, voller Gefühl und
Fantasie.
Die Fenster sind mit schwarzen Vorhängen verdunkelt. Die Umrisse
von 18 Stühlen sind mehr zu ahnen als zu sehen. Wer auf einem der
Samtbezüge Platz nimmt, schaut direkt in ein raffiniert beleuchtetes
Rechteck, kaum größer als ein DIN-A3-Blatt. Es ist kein Fernsehgerät –
es ist eine echte Bühne. Miniklein, aber oho. Sie ist das Tor zu einer
ganz anderen Welt. Einer Welt aus Papier und Klang, voller Gefühl und
Fantasie.
Da reitet sie. Hufgeklapper und Vogelgezwitscher begleiten die junge
Hadeloga, die von ihrer Heimatburg zum Main unterwegs ist, zu der
Stelle, an der ihr Schleier landen wird. Oder ihr Handschuh? Jedenfalls
hat die Adlige der Sage nach an der Fundstelle das Kitzinger Kloster
gegründet – und damit letztendlich auch die Stadt. Hadelogas Haar weht
im Wind, ihre Bewegungen hoch zu Ross sind fließend, ihre Stimme aus den
Lautsprechern klingt aufgeregt. Man ist live dabei, bei der Zeitreise
ins achte Jahrhundert nach Christus.
Natürlich ist die echte Hadeloga längst gestorben. Sehr lebendig ist
dagegen zum Glück Gabriele Brunsch. Die ideenreiche 66-jährige
Obernbreiterin hat die Kitzinger Symbolfigur in liebevoller Kleinarbeit
auf Aquarellpapier gemalt. Monatelang immer wieder, in ganz
unterschiedlichen Posen. Die zehn bis 20 Zentimeter großen
Papier-Hadelogas hat sie auf festeren Karton geklebt und an dünnen
Stangen befestigt, so dass sie von Hand „ferngesteuert“ vor der
jeweiligen Kulisse laufen, reiten oder hüpfen können. Das Gleiche hat
die Künstlerin mit allen Protagonisten ihres jüngsten
Papiertheater-Stücks gemacht.
Ein frisches, heiteres Stück
Gabriele Brunsch hat „Hadeloga – auf der Suche nach einer
sagenumwobenen Gestalt“ eigens für das kommende Kulturwochenende des
Landkreises geschrieben. Es ist ein modernes Stück, heiter und frisch.
Neben Opa, der alles weiß, und einer Lehrerin, die in Zeitnot ist, gehen
drei Kinder der Frage nach, was im Dunkel der Vergangenheit wirklich
mit Hadeloga passiert ist.
Papiertheater hat im 19. Jahrhundert ein Millionenpublikum
verzaubert. Wer etwas auf sich hielt, leistete sich selbst eine
Miniaturbühne, um im Salon oder im Wohnzimmer Freunde und Bekannte zu
unterhalten. Man konnte damals Texthefte und Ausschneidebögen kaufen und
darauf die agierenden Papierfiguren mit passenden Kostümen, Kulissen
und Requisiten in Szene setzen.
„Alle Rätsel
werden gelöst.“
Gabriele Brunsch
Als aber Kino und TV ihren Siegeszug antraten, war das der Todesstoß
für die kleinste, feinste Form des Theaters. Seit einigen Jahrzehnten
lebt es mancherorts jedoch wieder auf. Im Kreis Kitzingen hält Gabriele
Brunsch die Fahnen des Papiertheaters hoch. In ihrer Obernbreiter
Werkstatt oder direkt an der Miniatur-Bühne in Kitzingen arbeitet sie
als Autorin und Schauspielerin, als Dramaturgin, Malerin,
Bühnenbildnerin, Tontechnikerin und Regisseurin. Für das aktuelle
Theaterstück hat sie allerdings einen Helfer geholt: der 13-jährige
Roberto Angius wird ihr bei der Aufführung im Hintergrund zur Hand
gehen. „Beim Üben hat es schon ganz hervorragend geklappt. “ Die
pensionierte Lehrerin erzählt, dass sie schon immer gern Texte
geschrieben, inszeniert und gemalt hat. Als sie in den 90er Jahren einer
leidenschaftlichen Papiertheater-Sammlerin begegnete, entflammte auch
bei ihr die Liebe zu dieser besonderen Kunstform. Seit 2003 spielt sie
auf ihrer eigenen Bühne „Der Blaue Schleier“ in der Kitzinger
Grabkirchgasse 4 (Ex-KitzGalerie).
„Papiertheater ist komplette Illusion.“ So, wie wenn man ein Buch
liest und die Geschichte sich vor dem geistigen Auge entfaltet,
beflügelt auch das Papiertheater die Fantasie. Die gemalten Figuren
bewegen sich vor Kulissen-Landschaften, die teils fotografiert, teils
gezeichnet sind. Durch das Zusammenspiel der Figuren und Stimmen, die
zuvor digital aufgenommen wurden und bei der Aufführung eingespielt
werden, entsteht ein Schauspiel, das alle Sinne anspricht.
„Kinder und Erwachsene aus dem Raum Kitzingen haben die Texte
eingesprochen. Und zwar ganz toll“, berichtet Gabriele Brunsch. So gibt
zum Beispiel Lara Haydl der jungen Hadeloga ihre Stimme. Johanna
Schweinitzer ist die Lehrerin. Friederike Brunsch und Frank Baker sind
als erwachsene Hadeloga und ihr Bruder Pippin mit von der Partie.
Als einziger Profi hat Fritz Stavenhagen (Neuwied) mitgewirkt und dem
Opa seine Stimme geliehen – und das ohne je persönlichen Kontakt zu
Gabriele Brunsch gehabt zu haben. Im digitalen Zeitalter ist das kein
Problem. Gabriele Brunsch hat ihm den Text zugesandt und Fritz
Stavenhagen hat ihr einige Zeit später die Soundclips gemailt.
Insgesamt einige hundert Soundclips hat die Papiertheater-Fachfrau
szenengetreu geschnitten und mitsamt der mittelalterlichen Weisen von
Harfenistin Julia Rosenberger wie ein Hörspiel zusammengefügt. „Der
Endspurt läuft und hält mich Tag und Nacht ganz schön in Atem.“
Nur Gabriele Brunsch und ihre Sprecher wissen schon, wie das
Geheimnis um den Schleier – oder ist es doch der Handschuh? – ausgeht.
Aber sie halten dicht. Bis 4. Juli. Dann hat das Stück Premiere. „Eins
kann ich versprechen“, verrät Gabriele Brunsch lächelnd: „Alle Rätsel
werden gelöst.“
Termine: Am Samstag, 4. Juli, feiert „Hadeloga – auf der Suche nach
der sagenumwobenen Gestalt“ ab 20 Uhr Premiere im Papiertheater in der
Grabkirchgasse 4a, Kitzingen. Am Sonntag, 5. Juli, wird es von 17 bis
17.45 Uhr ebenso wiederholt wie noch mehrmals im Lauf des Juli.
Anmeldungen: Tel. 09321/ 928 1104. Infos: www.papiertheater-kitzingen.de
Rendezvous mit Hadeloga
Die Sage: Um das Jahr 700 nach Christus kam die Adlige Hadeloga auf
den Schwanberg. Sie wünschte sich ein Kloster. Sie übergab ihren
Schleier – oder Handschuh – dem Wind und gründete an der Stelle, an der
der Schäfer Kitz ihn fand, ihren Orden. Das war der Grundstein für die
Stadt Kitzingen.
Schleierzeichen – Kulturzeichen: Der Landkreis lädt am Samstag und
Sonntag, 4. und 5. Juli, Alt und Jung ein, sich auf Spurensuche nach den
Besonderheiten des Landkreises Kitzingen zu begeben. Verschiedenste
Künstler und Kulturschaffende haben ein innovatives Programm auf die
Beine gestellt, bei dem vielfach der Gründungsmythos Kitzingens, die
Hadeloga-Sage, im Mittelpunkt steht.
Programm und Projekte: Der Szenografische Parcours „Hadelogas Erben“
vom 4. Juli bis Mitte August wird in der Innenstadt für große Augen
sorgen, denn Studenten werden den Schleier der Hadeloga ganz neu
erfinden. Am Marktturm wird es die Lichtinszenierung „ZeitSchichten“
geben und im Innenhof des Landratsamtes eine Installation „Träumen.
Kommen. Bleiben.“ In der Bürgerbräu werden ein historischer Film von
Kitzingen und Foto-Experimente gezeigt. Wer möchte, kann „Nachts im
Fastnachtmuseum“ unterwegs sein. Auf dem Schwanberg gibt es eine
„Schleier-Führung“, im Stadtmuseum ein Essen wie bei Hadeloga und in der
Alten Synagoge Tänze und musikalische Genüsse. Das Papiertheater lüftet
schließlich Hadelogas Schleier.
Infos: Alle Infos zum Programm: www.kitzingen.de/kulturzeichen.
In eigener Sache - Meine Gedanken hintangestellt zur Information:
Die Premiere am 4. Juli 15 und die nächste Vorstellung waren ein großer Erfolg.
Ich bin sehr zufrieden mit dem Echo auf meine kleine 45-minütige Inszenierung.
Als mich im Januar Frau Maja Schmidt von der Stadt ansprach, ob ich mich am Kunstprojekt "Schleierzeichen" am ersten Juliwochenende beteiligen wollte, war der Juli noch sehr weit entfernt.
Ich sagte gerne zu und sofort entwickelte sich in meiner Vorstellung das Konzept für dieses Stück "Hadeloga - auf der Suche nach einer sagenumwobenen Gestalt"
und ich brachte erste Szenenentwürfe zu Papier - dass ich, wie in allen meinen Theaterstücken mit historischem Hintergrund, wieder in der Gegenwart beginnen wollte um dann in die Vergangenheit hineinzugehen, das war mir von Anfang an klar. So sind es die Kinder Mia (Johanna Damm), Leonie (Livia Tremmel) und Niklas (Noah Haydl), die wegen des Problems "Schleier oder Handschuh" in Streit geraten und Mias Großvater (Sprecher: Fritz Stavenhagen) erklärt nicht nur den historischen Hintergrund zum frühen 8. Jahrhundert, er hat dazu noch eine fantastische Idee um den wissenschaftlichen Beweis zur Lösung der Frage wirklich zu erbringen.
Am Schluss spricht Mia eine Mutmaßung aus, die allerdings den Rahmen eines wissenschaftlichen Konstrukts zum Ursprung der Sage sprengt und in eine ganz andere Richtung weist.
Ortskenntnis ist förderlich - aber nicht unbedingt nötig.
...geh mit mir in den schattigen Park um Atem zu holen, dort, fernab ins Grüne. Geh mit mir in die frischeste Kühle, um Abstand zu schaffen zu dem Gewühle, dem Wust von wirren Gedanken.
Lass uns nur stehen und ruhen, ganz still, Einkehr halten, nichts fragen, nichts sagen, wissend, dass ohne Worte, im Einklang, Verstehen Erkenntnis schafft...
Vor einigen Jahren nahm ich das Märchen in die Hände und durchsuchte alle Nuancen, die es enthielt. Ich träumte mich zurück in meine Kindheit, als meine Mutter mir das Märchen abends am Bettrand immer wieder vorlesen musste. Ich mochte das Märchen nicht, es war einfach furchtbar! Das Prinzesschen war ein schrecklich arrogantes Mädchen, das mit ziemlichem Eigensinn ihren Willen durchsetzte - durchtrieben war sie auch. Nein, ich konnte sie nicht leiden. Trotzdem zog es mich immer wieder hin zu dieser so absurden Geschichte.
Dass sie dann den wunderhübschen Prinzen bekam, das machte mich schon als Kind sehr nachdenklich. Normalerweise bekamen die braven und guten Mädchen einen Prinzen (Aschenputtel oder Rapunzel), in diesem Falle jedoch war alles anders. Das machte mich zudem auch wütend.
Um endlich hinter das Geschehen zu kommen, ließ ich meinen Gedanken freien Lauf, jetzt war ich erwachsen, zugegeben schon "alt und erfahren" und konnte mir alles, was ich als Kind gar nicht verstand, erklären. (Dass die Bösen oft die Besten bekommen - ereignet sich bisweilen - und lässt mich schmunzeln.)
Ich forschte nach dem Grund, was wohl geschehen war, dass der König seiner Tochter eine goldene Kugel schenken musste. Man bedenke: Eine Kugel aus Gold, die ist mächtig schwer, und spielen kann man mit ihr auch nicht wirklich!
Ich weiß, dass es viele kluge Interpretationen zum Märchen gibt, ich liefere meine dazu. Ich habe ein Hörspiel gemacht und 12 Szenen mit 10 Bildern gezeichnet. Dazu viele, viele Figuren, die sich in den Bildern bewegen:
Hier ist der Beginn der Einführung, bevor das eigentliche Märchen beginnt:
Es ist ein einstündiges, sehr humorvolles Theaterstück daraus geworden. Die Aufführungen finden in Kitzingen am Main, Grabkirchgasse 4a statt. Viele Gäste kommen, bisweilen auch von weit her, um die Inszenierungen zu sehen. Es ist ein Erlebnis der besonderen Art.
Das Prinzesschen läuft sehr gelangweilt mit ihrem goldenen Ball zum Gewässer.
Auf der Homepage des Papiertheaters kann man sich über das Papiertheater Kitzingen informieren: