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Mittwoch, 4. April 2012

Der Schreibtisch des Dichters (hervorgeholt)

“Der Schreibtisch ist der Ort, wo sich die Welt entscheidet.” (Günter Eich)

Der Satz in seiner Konsequenz 
hat nichts von Ruhe, von Beschaulichkeit,
er weist ganz zielgerichtet, weist nach außen,
vom kleinen, scheinbar unscheinbaren Innen
ins weite, unermesslich kalte Draußen.

Auf eine schlichte Weise ist er wahr.

(Er flüstert mir von Kriegen,
von Grausamkeit,
von Folter und von Tod.
Er flüstert mir von Bangigkeit,
von Zucht und Furcht,
von Bitterkeit und Not.)

...von den Ecken, den dunklen,
den Rückzugsgebieten,
Fluchtpunkten,
die einer ausleuchten möchte
mit seinem Feder/Kuli-Strich,
den Menschenzahlen,
die es zu tilgen/zu ergänzen gilt:
traf/trifft bisher ganz andere,
doch wann trifft es ... mich/dich?

...von Beschönigungen,
(wie auch immer)
die hergestellt werden müssen,
weil die wahren Zahlen
nicht ins Raster passen,
oder dieser eine Mensch,
diese eine Gruppe,
diese eine Gemeinschaft,
diese eine Rasse,
diese Farben nicht passen,
ihm nicht passen,
ihnen nicht passen,
nicht passen...

Dort, an diesem Tisch
sitzt einer,
gebisstragend/oder nicht,
mit Colegate-Zähne-Lächeln
auf den Lippen,
ohne/mit Toupet,
gestylt,
zeitmäßig gestählt/oder nicht,
Waschbrett/Wabbelbauch unter
dem gebügelten Hemd,
schön halt,
(weil Macht schön macht)
in jedem Fall mächtig,
perfide mächtig,
und hält den Stift in der Hand,
öffnet die Kladde,
liest und streicht ab.

Und für uns, die wir schreiben?
Was ist er, der Schreib-Tisch?
(wenn nicht das Papier auf dem Knie ist):
Zuflucht, die wir brauchen.

Was entscheiden wir,
da, zwischen Holz und Papier,
oder ist es Monitor und Keyboard,
oder Handy und Welt,
da an dem Tisch,
mit unserer Strich-Stimme -
oder Ton-Stimme …
in Versen?

2008 © ALLE RECHTE BEI GABRIELE BRUNSCH

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