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Samstag, 31. Oktober 2009

Auf dem Stein sitzend...

Als ich an diesem Tag über meine dünnen Beine zu meinen Füßen hinunter sah, der Stein war spürbar hart unter mir, glaubte ich, unten, weit unten im Gras sonderbare Gebilde zu sehen. Sie waren vernebelt und gestaltlos. Während ich sie betrachtete und mit Mühe den Zusammenhang zwischen den erlebten Ereignissen des Tages und diesen undefinierbaren Formen zu finden suchte, bemerkte ich etwas, das mich, obwohl es Teil meiner Fantasie für den Rest meines Lebens bleiben sollte, immer von Neuem mit großem Erstaunen erfüllte.
Die Gebilde waren Ausdruck eines Gefühls, das ich nicht benennen konnte. Sie umspielten den Grund unter mir, und suchten Kontakt zu meiner Haut. Wie um sich Gehör und Einlass zu verschaffen wuchsen sie um mich herum und mahnten mich endlich eine Bedeutung für sie zu finden, damit ich sie in mich aufnehmen könnte. Ich könnte sie mir auf den Leib legen oder sie einatmen, in mich und auf mich reiben. Dann erst würde ich sie kennen, so wie man einen reifen Apfel kennt, dessen Herkunft einem vertraut ist und dessen Duft und Geschmack sich mit der Farbe und der Spannung seiner Schalenhaut als besonderer Wert schon sehr früh in das kindliche Bewusstsein gedrängt hat und dort festsitzt für den Rest der Zeit.
Was also war es diesmal gewesen, das sich als rätselhafte Erscheinung abgesondert hatte um als wuchernder, wabernder Bodensatz des Tages mein Unterbewusstsein zu durchspülen? Es war eine winzige Begebenheit gewesen, die aus Hast und Blicken bestand, aus Ekel und Verwunderung, aus sattem Grün und Staunen. Und eben diesem einen Satz.
Während ich gerade große Kastanienblätter aus unterschiedlichem Grün, Gelb und Braun sammelte und als Fächer in meiner Hand drapierte, hörte ich Stimmen. Laute, wütende Männerstimmen hallten aus der Passage. Dann kam mein Vater mit weit ausholenden Schritten herausgerannt. Er gestikulierte mit den Armen, rief laut: „Ha!“, blieb stehen und kratzte sich am Kopf. Sein Blick fiel auf mich und er sagte den Satz, von dem er wissen musste, dass ich ihn nicht verstand: „In Amt und Würden! Weißgott, aber von Würde keine Spur!“ Als er weg war, kam Herr Steiner, der Obmann, der  über alle herrschte und vor dem alle zitterten, aus dem Tor, blieb auch stehen und verzog das Gesicht zu einer sonderbaren Fratze. Er sah sich um. Als er merkte, dass der Hof bis auf mich verwaist war, rotzte er sich mit Mittelfinger und Daumen der rechten Hand den Schleim aus der Nase. Er schleuderte ihn quer über den Platz, räusperte sich heftig und öffnete sich mit den feuchten Fingern die Hose. Dann ging er zur Kastanie, wo er, kaum zwei Meter von mir entfernt, sonderbar grinsend sein Geschäft erledigte.
Ausgeliefert.
Der bunte Herbstblattfächer
löchriger Schutzwall

4 Kommentare:

  1. Ein filigraner Tagtraum entwickelt sich zu einem gewaltigen Wortstrom, in dem der Ekel längst vergangener Tage (hoffentlich weg)gespült wird. Berührt mich sehr!

    Kurze Frage: der Obmann - so etwas wie ein Blockwart? Wo und in welcher Zeit?

    Viele Grüße
    Ralf

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  2. Anonym5/11/09

    ...dieser Obmann (ein Begriff der in Österreich heute noch für Vertrauensleute, bzw. Vorsitzende eines Vereins/Partei, etc. verwendet wird) ist/war eine Art Abteilungsleiter in der Verwaltung.
    Ich freue mich sehr, dass Dich mein Text ansprach. In meinen "auf dem Stein sitzend..."-Geschichten versuche ich Kindheitserinnerungen hervorzuholen und in kleinen Einheiten Begebenheiten, die man jeweils mit dem Erlernen/Erstbegegnung des Kindes mit einem Ausschnitt der Welt, beschreiben. Hätte ich Zeit, dann ...

    Liebe Grüße
    Gabriele

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  3. oké, minden rendben /all is correct /alles in Ordnung /klape všechno

    hullok én is
    őszi levél
    betemet

    hull majd hó
    süt még nap
    és elfelejtenek

    I fall as well /ich falle auch /padám i já
    autumnal leaves /herbstliche Blätter /podzimní lístí
    cover me up /begraben mich /mě zakryje

    it will be snowing then /es wird dann schneien /bude pak sněžit
    & the sun shining again /und noch die Sonne scheien /a hříti i slunce
    & we shall have been forgotten /und wir werden vergessen worden sein /a bude též po nás

    vö. /cf. /vgl.:
    http://sztandit.blogspot.com/2009/11/szt-andras-hava-edos-novembor-1.html

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  4. Thank you for this lovely poem with transcription - it sounds wonderful, and embraces the actual autumnal atmosphere very well.

    My proposal to improve the German:

    hullok én is
    őszi levél
    betemet

    auch ich falle
    von Herbstblättern
    bedeckt

    hull majd hó
    süt még nap
    és elfelejtenek

    schon fällt Schnee
    dann die Sonne
    und wir sind vergessen

    It is very scarce and short in Hungarian, so I tried to keep to
    the Hungarian words as much as I could...

    Das klingt im Deutschen lyrisch und
    kurz, so wie ein knappes Kurzgedicht, ein Haiku, klingen könnte, jedoch sind es hier ja 6 Zeilen - there are 6 lines in the poem.

    I love it, really, it holds so much, meaning nature and our own, poor human life as well, and the decay...

    Thanks a lot

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