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Sonntag, 13. Dezember 2009

...und ist m e i n Krieg am Hindukusch

Angesichts der sich überschlagenden Ereignisse anlässlich der Bombardierung
der Tanklastzüge mit vielen Toten, möchte ich dieses Gedicht, das ich damals
schrieb, als die Nachrichten auf uns schwappten und die Diskussionen begannen, noch einmal einstellen - im Blog rutschen die Dinger weg wie nichts, als seien sie, einmal geschrieben, bedeutungslos geworden - so ist es jedoch nicht, deshalb...

Meine Meinung hat sich nicht geändert, das Gedicht spricht meine Verzweiflung
an. Ich bin eine deutsche Frau, und unsere Soldaten sind in einem Gebiet, in dem
bezüglich der Kompetenzen und Machtansprüche absolute Verwirrung herrscht.
Wir sollen schützen und beim Aufbau helfen, sind aber jede Sekunde selbst in Gefahr. Was sich dem Leser hier aus den Nachrichten präsentiert ist ein winziger, abgeschwächter Bericht, der sich im weichen Sesselkissen sehr leicht ertragen lässt.

In so einer undurchsichtigen, sich sekündlich verändernden Gefahrenzone leben und wirken zu müssen, stellt eine Ausnahmesituation dar - und nur die stärksten werden sie psychisch heil überstehen. Ich diskutiere nicht "für oder wider Krieg" hier, (für mich "ist es Krieg"), sondern nur wie sich mir die "tatsächliche" (?) Situation darstellt - ich versuche meinen Schrecken und meine Ängste auf diesem Weg zu verarbeiten - das Wort "Schuld" wird man hier nicht finden.


(bitte auch lesen: http://www.kunst-frau.de/page52.html )



...UND IST MEIN KRIEG AM HINDUKUSCH...


- es ist ein schlimmes verwirrspiel,
die argumente schlagen gegeneinander
trommelwirbel mit atemloser hast -
und die kontroverse diskussion
zersplittert den sachverstand,
und du weißt nur, dass du nichts weißt,
oder zu wenig...

...aber, kann man denn je,
jemals ein richtiges wissen haben,
ein richtiges argument, einen grund,
einen, der krieg rechtfertigt,
einen, der in der letzten konsequenz,
den tod von vielen mit einkalkuliert,
ihn mit bleiernem grinsen hinnimmt,
das schluchzen und weinen der fliehenden,
den glasigen gebrochenen blick der zerrissenen,
die wutschreie der kämpfenden...
auf beiden seiten,
denn alle kämpfen für die richtige sache,
für ihre wahrheit,
für ihren grund,
für ihr richtiges argument,
weil sie das echte wissen haben,
das ihnen den mut und die kraft gibt,
die rechtfertigung zu glauben,
ihr kampf sei die einzige bedingungslos
wirklich vertretbare konsequenz,
sinnvoll und wert, wert das eigene leben
einzubringen, bereitzustellen
vor den opferstock einer fiktiven zukunft...

...während wissen und verständnis
in rinnsalen versickern,
jounalisten ihre augen und ohren
in sicherem abstand in ritzen zwängen,
kollateralschäden abtasten
und google-earth die rasterfahndung verrätselt,
erfüllen flüstern und hecheln die luft,
schlägt die lüge – mit tausend zungen –
im echo verstärkt von fels zu fels
während der neue und der verkrustete
angstschweiß wie eine dunkle aura
die harrenden kämpfer umstrahlt,
und niemand genau weiß was war
und niemand genau weiß was ist
und niemand genau weiß was wird,
weil krieg nicht kalkulierbar ist,
weil hass nicht kalkulierbar ist,
weil wut nicht kalkulierbar ist,
und lust und macht und machtgelüst
sich ausbreiten wie ein flächenbrand,
vernunft sich in rauch auflöst
und asche den himmel verdunkelt...

...da sitzt du und legst die hände
auf gesicht und augen
und suchst nach gründen
im selbstgeschaffenen
sicheren dunkel.
vor dir irgendwo, in reichweite,
die gelesenen passagen,
die berichte, die gesammelten einsichten
und fakten, diese sinnträger,
die schwarzen zeichen auf weiß,
sind trommelwirbel hinter den lidern,
und während du argumentierst
tun sich fenster auf vor dir
und du schaust hinaus und hinein
in tiefe gebirgstäler mit versprengten dörfern,
frauen mit burqa weil es immer so war,
mohnfelder auf lichten höhen, gemüsegärten,
auf kahlen hängen, die der blick trifft, ein knecht,
viele knechte, ein bauer, viele bauern,
ein kind mit der hacke, dem bündel,
die feldarbeit im steilen gebirg ist mühsam.
wessen berg ist das, wessen dorf, wes knecht,
dorfälteste, räte, warlords mit ihrem machtnetz
von felssturz zu fels...

und taliban klettern wagemutig auf schleichpfaden.
hörst du den ruf des falken,
den gesang der nachtigall,
das zirpen der grillen,
die musik der natur durchwebt
arg- und ahnungslos die luft.
zerborstene häuser, straßen, brücken, wege,
dächer und brunnen, ruinen und einschusslöcher
wo längst wieder oder immer noch wohnung ist,
zaudert der fuß das offene feld zu durchspringen,
barst nicht erst gestern die mine, so nah...
...und im unwirtlichen, zerklüfteten land,
in den talfurchen, den bergmassiven,
unter dem geröll der halden ruht gold, silber, bauxit,
wolfram, uran, zink, kupfer, mangan, öl und gas...
...und irgendwo im ledersessel sitzend
schieben in trilateralen runden
die global vernetzten,
multipolar etablierten gamelords
ihre bauern über das spielfeld
und der zeiger der uhr klickt weiter,
und einer sagt leise:
„bald wird das fell des bären geteilt!“





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